Plädoyer für gewaltfreie Geburtshilfe

Das Thema Schwangerschaftsbegleitung und Geburtshilfe brennt mir seit etwa 1,5 Jahren auf der Seele. Also seit ich schwanger wurde und selbst erfahren durfte, wie man als Schwangere behandelt wird, wenn man nicht ganz der Norm entspricht. 
Mir ist bewusst, dass viele Frauen gute Erfahrungen in ihren Schwangerschaften machen und sich sehr aufgehoben fühlen. Leider gibt es aber auch sehr viele Frauen, die von Erfahrungen berichten, die mich sprachlos machen. 

Es ist inzwischen so viel bekannt darüber, welche Wichtigkeit und Auswirkung auf das ganze Leben eine natürliche und schöne Geburt hat. 
Wie kann es dann sein, dass in der Geburtshilfe nicht alles unternommen wird um das möglich zu machen? 
Wie kann es sein, dass Frauen traumatische Geburtserlebnisse verarbeiten müssen, weil sie nicht gebären durften, wie sie wollten? 
Wie kann es sein, dass Frauen schon während der Schwangerschaft mehr in Angst um ihr Baby versetzt werden, anstatt in ihrem Urvertrauen bestärkt zu werden? 
Wie kann es sein, dass wir so weit entfernt von unserer Natur sind und wirklich denken, dass eine sichere Geburt nur im Krankenhaus stattfinden kann? 

Ich könnte hunderte weitere solcher Fragen stellen, denn ich verstehe es nicht. Hier läuft etwas total falsch. Und zwar schon sehr lange. Wo der Anfang der Unterdrückung der Frau in unserer Menschheitsgeschichte ist, weiß ich nicht genau. Es ist mir auch eigentlich egal, denn ändern können wir es eh nur im Hier und Jetzt. Und das sollten wir nun endlich tun, wenn wir in Zukunft eine gesunde Gesellschaft haben wollen. 

Starten könnten wir zum Beispiel damit, eine Frau in der Schwangerschaft mit Würde und Respekt zu behandeln, statt sie zu bevormunden und zu verurteilen. Sie bringt ein neues Leben auf diese Erde, sie trägt es unter ihrem Herzen. Wie kann irgendjemand (egal wie gut ausgebildet er/sie ist) sich anmaßen zu glauben, er wisse besser, was diese Frau braucht. 

Zugegeben, es gibt viele Frauen, die froh sind alles vorgegeben zu kriegen. Aber warum? Weil sie ihre weibliche und intuitive Energie irgendwo in dieser männlichen Welt verloren oder gar nicht erst entwickelt haben. Sollte dann nicht Geburtshilfe bedeuten, diese Frauen durch die Schwangerschaft zu begleiten und genau diese Energie in ihr (wieder-)zuerwecken? Um sie zu befähigen selbstbestimmt und aus eigener Kraft ihr Kind zu gebären, so wie sie es möchte? 

Aber es gibt auch Frauen, die wissen bereits, wie und wo sie gebären wollen und haben sehr klare Vorstellungen was für sie eine Geburt bedeutet. Zu diesen Frauen gehöre ich auch. Und trotzdem wurde ich von meiner Ärztin immer wieder verunsichert. Irgendwann befanden wir uns in einem Teufelskreis von Untersuchungen und Ängsten, von verschiedenen Weltsichten, die aufeinander prallten. Das Ergebnis war, dass ich kurz vor der Geburt jeden weiteren Termin bei ihr abgelehnt habe und mein Kind wie geplant alleine zuhause zur Welt gebracht habe. Noch heute höre ich ihre Vorwürfe, ihre Warnungen, die fast schon Drohungen waren. "Wenn dabei etwas schief geht, wird das strafrechtlich verfolgt" "Ihr wisst nicht was auf euch zu kommt, ihr wisst nicht wie schnell eine Frau verbluten kann" "Es geht darum, dass das Kind nicht stirbt" Ich spüre noch immer ihre extreme Angst, ihre Verzweiflung, weil ich nicht von meinem Wunsch einer Hausgeburt abweichen wollte. Ich nehme es ihr nicht mehr übel, ich weiß, dass sie ihren Job gemacht hat. Aber ich verurteile das System, das dahinter steckt. Denn wenn das Krankenhaus nicht alle Hebammen der Umgebung als Angestellte hätte und ihnen nicht Hausgeburten aus Konkurrenzgründen verbieten würde, hätte es nicht so weit kommen müssen. Oder wenn man mir wenigstens meine Wünsche für eine absolut natürliche Geburt zugestanden hätte. Aber nein, wenn ich ins Krankenhaus käme, hätte ich mich in einigen Punkten zu fügen. Sie haben also lieber in Kauf genommen, dass ich allein zuhause gebäre, als mir eine Geburt zu ermöglichen ohne einen Zugang am Arm und ohne ständig überwacht und untersucht zu werden. Und die Vorwürfe und Panikmache gab es gratis dazu. 

Vermutlich können viele Frauen nicht nachvollziehen, dass ich mich so entschieden habe. Aber ich glaube das liegt daran, dass vielen Frauen gar nicht bewusst ist, was bei einer Geburt eigentlich alles abläuft und was alles störend wirken kann. Dazu kommt sicher auch, dass nicht jede Frau so hochsensibel ist wie ich und daher gar kein Problem in dem üblichen Geburtsprozedere sieht. 
Genau das habe ich oft zu spüren bekommen, dass ich einfach anders empfinde. Wie oft haben mir Frauen gesagt "Das kriegst du alles gar nicht mit, du bist so in deinem Film" oder auch meine Ärztin: "Die Sorge hatten andere Frauen auch, aber sie haben dann trotzdem schöne Geburten hier erlebt." 
Aber irgendwann willst du nicht mehr hören, was mit anderen Frauen war. Irgendwann willst du als individuelle Frau gehört werden. Ich war den Tränen nahe, als ich ihr versucht habe zu erklären, dass ich schon mein Leben lang anders empfunden habe, als die meisten Frauen. Aber mehr konnte ich nicht sagen. Wie, sag mir, wie erklärst du einer rein wissenschaftlich orientierten Ärztin, dass du so anders fühlst als andere Frauen? Wie erklärst du ihr, dass du in der Lage bist mit der Seele deines Kindes zu kommunizieren und darauf vertraust? Wie erklärst du ihr, dass die kleinste Störung bereits ausreichen kann, dich aus deiner Energie zu holen und damit die Geburt zu stoppen? Wie erklärst du ihr, dass der vernünftigste und sicherste Weg für dich zu gebären, der ist, in Ruhe und in deinem sicheren Ort zu sein? 
Ich konnte es nicht. Ich bin stumm geblieben und habe entschieden mich aus diesem Teufelskreis zurückzuziehen. Ich wollte nicht mehr als naiv und lächerlich dastehen, ich wollte nicht meine innersten Gefühle mit jemandem teilen, der so wenig Verständnis dafür hat. Jemand der nur in seine Statistiken und sein Ultraschallgerät vertraut. 

Wenn ich ihr und ihren Statistiken und Geräten vertraut hätte, wäre ich vermutlich heute noch dabei einen traumatischen Kaiserschnitt zu verarbeiten und vor allem zu bereuen, nicht auf mich gehört zu haben. Da hat mir eine liebe Hebamme im Nachhinein zugestimmt: Ich hätte mein Kind nicht im Krankenhaus natürlich auf die Welt gebracht. Ich hätte dort nicht loslassen und in meiner Energie sein können. Es gibt Frauen, die könnten nicht zuhause gebären, sondern sie können im Krankenhaus loslassen, weil sie sich dort sicher fühlen. Davor habe ich großen Respekt, denn ich finde es mutig. Ich finde es mutig, das wichtigste Ereignis deines Lebens in die Hände von Medizinern zu legen. 
Ich hätte das nicht gekonnt. 

Und ich weiß, es gibt einige Frauen wie mich. Die zu sensibel und zu eigen sind, um sich in fremde Hände zu begeben. Die schon durch die kleinste Störung (ein falsches Wort, ein falscher Duft) voll aus ihrem Konzept gebracht werden können. Die ihre eigene Zeit und ihren eigenen Weg brauchen um Wunder zu vollbringen. Die für die Geburt eines neuen Lebens nur sich und ihren Mann und eben dieses neue Leben brauchen. 

Für diese Frauen muss auch ein Platz in der Geburtshilfe sein. Denn nicht jede Frau, die so fühlt, ist auch in der Lage ihrer Ärztin den Rücken zu kehren und zuhause alleine zu gebären. Deshalb ist es notwendig, dass die Geburtshilfe sich auch an diese Frauen anpasst. 

Dass ihr bereit seid ihnen zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Dass ihr sie aufklärt über mögliche Untersuchungen in der Schwangerschaft und sie wählen lasst. Dass ihr sie für ihre Entscheidungen nicht verurteilt. Dass ihr vor allem bei der Geburt auf jeden einzelnen eurer Schritte achtet, um diese Frauen nicht aus ihrem Fluss zu bringen. Dass ihr lernt auf die Natur und diese Frauen zu vertrauen, auch ohne Geräte oder Statistiken. Diese Frauen passen nicht in eure Statistiken, diese Frauen brauchen keine elektronische Bestätigung. Diese Frauen brauchen Ruhe und Zeit und den natürlichen Gang der Dinge. 

Zur Verdeutlichung eine Aufzählung, was für Formen von Alltagsgewalt an einer Schwangeren ausgeübt werden (auch vom sozialen Umfeld, nicht nur Geburtshelfern): 
  • Be- und Verurteilen der Bauchform und Größe, sowie ungefragtes Anfassen des Bauches 
  • Allgemeines Urteilen über den körperlichen und seelischen Zustand der Schwangeren (und wie oft sie Hunger hat)
  • Das Erzählen von Horror Geschichten über irgendwelche Geburten von Menschen, die man nicht mal kennt
  • Erwartungen an die Leistung der Schwangeren, weil man sich selbst damals keine Ruhe gegönnt hat "du bist schwanger, nicht krank."
  • Die eigenen Ängste auf die Schwangere abzuwälzen, in welcher Form auch immer
  • Intime Fragen über körperlichen Zustand oder Gesundheit des Babys in sehr unpassenden Momenten (beim Einkaufen, auf der Straße etc., häufig von eher fremden Personen) 
  • Ratschläge geben, nach denen nie gefragt wurde
  • Die Frau auf ihre Schwangerschaft und alle damit verbundenen Klischees reduzieren 
  • Die Erwartung ein kleines Leben in sich zu tragen und gleichzeitig normal weiter zu funktionieren, teilweise bis sehr kurz vor der Geburt (Schweizer Mutterschaftsurlaub!!) 
  • Der medizinische Teufelskreis, sobald man einmal zum Arzt gegangen ist 
  • Nicht aufgeklärt werden, was die Risiken von jeglichen Untersuchungen während der Schwangerschaft sind 
  • Nicht aufgeklärt werden, dass diese Untersuchungen nicht sein müssen
  • Eine Rechtfertigung verlangen, wenn die Untersuchungen abgelehnt werden
  • Als naiv und verantwortungslos betitelt zu werden, wegen abgelehnter Untersuchungen
  • Emotional unter Druck gesetzt werden, damit man sich wieder untersuchen lässt
  • Für jede Entscheidung für was auch immer verurteilt werden
  • Nicht aufgeklärt werden, was eine Schwangerschaft seelisch auslösen kann und damit allein gelassen werden 
  • Mit vielen Dingen allein gelassen werden, über viele Dinge nicht informiert werden
  • Fehler des medizinischen Personals (jeder macht Fehler, ich weiß, aber so häufig schief gegangene Blutabnahmen und Infusionen, wie ich hier mitbekomme und selbst erlebt habe, ist nicht in Ordnung) 
  • Bei der Geburt untersucht und gestört zu werden 
  • In seinen Wünschen nicht ernst genommen werden, auch wenn man sie sehr oft geäußert hat
Ich könnte diese Liste noch weiter führen, aber ich glaube es ist deutlich. 

Nun noch ein paar Ansätze, wie man die Begleitung in der Schwangerschaft, bei der Geburt und danach gewaltfrei(er) gestalten könnte: 

  • Gespräche führen, die die Frauen bestärken, statt immer nur körperliche Untersuchungen zu machen 
  • Nachfragen, zuhören, ernst nehmen und respektieren! 
  • Aufklärung, was eine Schwangerschaft und die Geburt wirklich mit einer Frau machen (können) und Unterstützung anbieten --> Kindheitstraumata können wieder auftauchen, destruktive Gedanken, Ängste und Zweifel, postnatale Depressionen, völliges Umkehren der vorher gelebten Werte, in die Rolle als (mehrfache) Mutter finden, finanzielle Sorgen und so weiter...) 
  • Frühzeitig über die Geburt und die Wünsche der Schwangeren sprechen. 
  • Hausgeburten möglich machen! 
  • Frauen aktiv auf die Geburt vorbereiten, informieren, bestärken! --> Sie darauf aufmerksam machen, dass sie einen Geburtsplan erstellen kann und dies mit ihr gemeinsam tun
  • Der Frau das Steuer überlassen. Wenn sie unsicher ist, sie unterstützen ihren Weg zu finden
  • Hilfe zur Selbsthilfe! 
  • Von Frauen einfordern, dass sie selbstbestimmt gebären dürfen und sollen 
  • Die Geburt liebevoll und zurückhaltend begleiten, statt ihren Verlauf zu beurteilen und zu bestimmen
  • Frauen fragen, was sie brauchen. Wenn sie es nicht wissen, sie unterstützen, es herauszufinden 
  • Die ganze Aufklärung nicht einseitig medizinisch tun, Alternativen aufzeigen!!!
Auch diese Liste könnte ich noch weiterführen, aber ich denke die Richtung ist auch hier deutlich. 

Es gibt einfach noch zu viele Frauen, die lange brauchen um schreckliche Geburtserlebnisse zu verarbeiten. Sie sind traumatisiert von dem Moment, der der schönste in ihrem Leben sein sollte. Ganz zu schweigen vom Kind, das so sein Leben begonnen hat. 
Es wird immer noch zu viel darüber geschwiegen und einfach hingenommen. 
Wie oft werden Geburten von medizinischem Personal und ihrem alltäglichen und unbewussten Handeln unterbrochen oder gestört, bis dahin, dass es zum Kaiserschnitt kommt. Die Frauen sind dankbar, dass die Ärzte ihr Kind gerettet haben. Aber sie stellen sich nie diese eine Frage: 

Was, wenn das Kind ohne den Einfluss des Personals gar nicht erst in Gefahr geraten wäre? 

Ich habe eine Bitte an Geburtshelfer: Vergesst nicht, dass das, was für euch Alltag ist, für jede Schwangere eine ganz sensible und besondere Situation ist. Sie weiß nicht, warum ihr tut, was ihr tut und es wäre wichtig sie mit einzubeziehen. Auch wenn es für euch der normale Vorgang oder Ablauf ist. Für sie ist es vielleicht das erste Mal, das sie es erlebt. Sie ist auf eure Unterstützung angewiesen. 


Damit du dich weiter informieren kannst, sind hier für dich meine Herzensempfehlungen: 
  • Buch "Meisterin der Geburt" von Jobina Schenk
  • Buch "Alleingeburt" von Sarah Schmid (würde ich jeder Frau empfehlen, egal wie und wo sie gebären möchte!)
  • Buch "Natürliche Wege zum Babyglück" von Nadine Wenger
  • Dokumentation "Die sichere Geburt" Trailer !!!
  • Schwangerschaftsyoga 
Wenn du schwanger oder frisch Mama bist und dich nach einer solchen Begleitung sehnst, darfst du dich gerne bei mir melden.

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